Letzte Aktualisierung am 05. März 2025
In dieser Interviewserie sprechen wir mit Nachhaltigkeitsheld:innen über die Nachhaltigkeitstransformation in Unternehmen und den Austausch von Nachhaltigkeitsinformationen. Wir erfahren alles darüber, was sie in ihrer Rolle antreibt, wie sie mit ESG-Daten umgehen und welche Faktoren für sie einen effizienten Austausch von Nachhaltigkeitsdaten ausmachen.
Maximilian Müller ist Professor für Financial Accounting an der Universität zu Köln. Zuvor war er Fakultätsmitglied an der WHU – Otto Beisheim School of Management und der ESMT Berlin sowie Gastwissenschaftler an der University of Chicago.
2022 gründete er den Sustainability Reporting Navigator, eine Open-Science-Plattform, die Berichtspraktiken, Anforderungen und Stakeholder-Präferenzen transparent und vergleichbar macht. Die Plattform wird gemeinsam von der Goethe-Universität, der Universität zu Köln und der LMU München betrieben und entwickelt.
Seit Februar 2024 ist er als Advisor für Sunhat tätig und unterstützt mit seinem Wissen zu Nachhaltigkeitsanforderungen und zur ESG-Berichterstattung.
Mit der Veröffentlichung der ersten Berichte, die nach den neuen CSRD-Standards erstellt wurden, stehen Unternehmen vor der Herausforderung, sich an das neue Reportingwesen anzupassen. Um Unternehmen, die in Zukunft berichten müssen, hilfreiche Einblicke zu gewähren, haben wir Professor Dr. Maximilian Müller zu einem Interview eingeladen. Sein kritischer Blick auf die aktuell erschienenen CSRD-Berichte soll als Wegweiser und Unterstützung dienen.
Was ist Ihr genereller Eindruck vom ersten Aufschlag der Berichte?
Wir haben derzeit etwa fast 100 CSRD-Berichte, also Berichte von Unternehmen der ersten Welle, die die CSRD und ESRS verpflichtend anwenden. Wir haben die ersten 50 nähergehend analysiert.
Im Vergleich zu den freiwilligen Berichten des letzten Jahres sind diese offiziellen CSRD-Berichte im Durchschnitt rund 24 % länger. Zwar sagt die Anzahl der Seiten nicht automatisch etwas über die Qualität der Transparenz aus, jedoch bestätigen sich die Vermutungen, dass das Reporting nach den neuen Standards insgesamt umfangreicher ist, als zu dem Zeitpunkt, als Unternehmen über die NFRD deutlich freier im Reporting waren.
In Bezug auf die Struktur zeigen sich die neuen Berichte als deutlich vergleichbarer, was es erleichtert, benötigte Informationen schnell zu finden. Zuvor verfolgte fast jedes Unternehmen seinen eigenen strukturellen Ansatz, oft mit individuell entwickelten KPIs.
Welche Auffälligkeiten sind Ihnen bisher besonders ins Auge gefallen?
Trotz der durchschnittlichen Verlängerung der Berichte um etwa 24 % sind signifikante Unterschiede zwischen den Unternehmen erkennbar.
Etwa zwei Drittel der Unternehmen haben die Seitenzahl tatsächlich erhöht, während ein Drittel die Länge der Berichte verkürzt oder unverändert gelassen hat. Auch wenn es noch zu früh ist, um definitive Schlussfolgerungen aus dieser kleinen Gruppe zu ziehen, fällt auf, dass gerade Unternehmen, die 2023 noch separate Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht haben, tendenziell die Berichtslänge reduzieren.
Diese Entwicklung lässt vermuten, dass durch die Verpflichtung, den Nachhaltigkeitsbericht in den Lagebericht zu integrieren, eine stärkere Fokussierung erfolgt.
Anders ausgedrückt: Während zuvor mehr Raum für narrative Elemente und visuelle Darstellungen war, stehen jetzt Zahlen und Fakten im Vordergrund.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die nun ebenfalls einer Prüfung unterzogen wird, nähert sich somit in Struktur und Inhalt zunehmend der Finanzberichterstattung an.

Welche Berichte sollten sich Unternehmen ansehen, die in Zukunft reportingpflichtig sind?
Da die berichtspflichtigen Themen stark branchenabhängig sind, empfehle ich Unternehmen, sich Berichte von Mitbewerbern innerhalb der eigenen Branche anzuschauen, die bereits CSRD-konform sind.
Wir haben dazu eine Liste mit den ersten Berichten erstellt, die für jedermann zugänglich ist (siehe Link). Diese Datenbank wächst täglich und enthält nützliche Zusatzinformationen wie das Herkunftsland, die Branche, die Länge des Berichts und die jeweils beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Für eine effektive Recherche wäre es sinnvoll, sich auf Berichte von Unternehmen aus der gleichen Branche und möglicherweise auch mit derselben Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu konzentrieren. Man findet hier auch eine Topic-Heatmap, um auf den ersten Blick Unternehmen zu finden, die zu einem bestimmten Thema wie Biodiversität mehr schreiben.
Wir bauen diese gerade zu einer Benchmarking-Lösung aus, bei der wir auch die Technologie von Sunhat zum Einsatz bringen wollen, um Nutzern zu erlauben „intelligent“ Informationen in den Berichten zu suchen und finden. So können Unternehmen beispielsweise direkt eine Übersicht zu den gemachten Angaben in Transitionsplänen innerhalb einer bestimmten Branche erhalten und bei Bedarf direkt zu den entsprechenden Berichtsstellen springen.
