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Grundlagen der doppelten Wesentlichkeit nach CSRD

Theoretische Grundlagen und Kriterien zum Prozess der CSRD-Wesentlichkeit (Schwellenwerte & Stakeholder-Einbindung)

CSRD Doppelte Wesentlichkeit Grundlagen

Inhaltsverzeichnis

Case name

Milena Drude
Sustainability Expert

Letzte Aktualisierung am 9. Dezember 2024

In aller Kürze

  • Die Analyse der Wesentlichkeit eines Unternehmens bildet die Grundlage für das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen
  • Nach CSRD müssen Unternehmen die doppelte Wesentlichkeit analysieren: Die "Financial Materiality" untersucht die Risiken und Chancen, die sich auf die finanzielle Leistung des Unternehmens auswirken, während die "Impact Materiality" die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt erfasst
  • Die Schwellenwerte für die doppelte Wesentlichkeit werden durch Faktoren wie Ausmaß (engl. "scale"), Reichweite (engl. "scope") und Unumkehrbarkeit (engl. "irremediability") festgelegt

Unternehmen stehen heute vor der wachsenden Verantwortung, nachhaltig zu handeln – dafür sind eine transparente Berichterstattung, fundierte Entscheidungen und langfristige Strategien unverzichtbar. Der erste, grundlegende Schritt zur Vorbereitung einer Nachhaltigkeitsberichtserstattung nach CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) ist die Analyse der doppelten Wesentlichkeit des Unternehmens.

Diese Bewertung dient als Grundlage, um die Relevanz der Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens, einschließlich Geschäftsbeziehungen und der Wertschöpfungskette zu verstehen.

Um Sie bei der Analyse Ihrer doppelten Wesentlichkeit zu unterstützen, liefern Ihnen die folgenden Informationen über den Prozess und die Gestaltung der doppelten CSRD-Wesentlichkeit basierend auf der EFRAG-Dokumentation einen kompakten Überblick.

Formales Verfahren zur Ermittlung der doppelten Wesentlichkeit

Zur Ermittlung der doppelten Wesentlichkeit wird ein formales Verfahren genutzt, mit dem Unternehmen wichtige ("wesentliche") Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) und damit zusammenhängende Informationen ermitteln. Diese sollen dann in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung offengelegt werden. ESG-Themen werden auf diese Weise objektiv priorisiert, da Unternehmen bei der Analyse die Perspektive der Stakeholder auf die Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen einbeziehen.

Für die Berichterstattung gemäß CSRD ist die Wesentlichkeitsanalyse von zentraler Bedeutung. Die Analyse der Wesentlichkeit sorgt dafür, dass relevante und wahrheitsgemäße Informationen über die Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) im Zusammenhang mit ESG-Themen offengelegt werden.

Laut der CSRD verfolgt die Wesentlichkeitsanalyse das Ziel, die Themen zu bestimmen, die aus der Perspektive der Impact Materiality (nach außen gerichtet) oder der Financial Materiality (nach innen gerichtet) oder aus beiden Perspektiven als wesentlich angesehen werden, wobei ihre Wechselbeziehungen zu berücksichtigen sind.

Wesentlichkeit nach CSRD fokussiert sich dabei nicht nur auf das eigene Unternehmen. Sie umfasst auch die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette.

Stellen Sie sicher, dass Sie mit den allgemeinen Anforderungen der CSRD-Standards vertraut sind, insbesondere mit denen in ESRS 1.

Die Kriterien für die CSRD-Wesentlichkeitsanalyse sind in ESRS 1 festgelegt, allerdings wird im Standard für allgemeine Anforderungen nicht ausdrücklich erklärt, wie die Schwellenwerte für die Bestimmung der Wesentlichkeit festzulegen sind. 

Daher bietet EFRAG einen Leitfaden für die Umsetzung an, wie wesentliche Themen auf der Grundlage von Due-Diligence-Prozessen und dem Ausmaß (engl. "scale"), dem Umfang (engl. "scope"), Unumkehrbarkeit (engl. "irremediability") sowie der Eintrittswahrscheinlichkeit ("likelihood") eines bestimmten Themas bestimmt werden können. Diese Schwellenwerte helfen Ihnen, die wichtigen Auswirkungen nach ESRS zu ermitteln.

Lassen Sie uns ein paar Definitionen klären:

Der Schweregrad (engl. "severity") kann durch das Ausmaß, den Umfang und die Unumkehrbarkeit negativer Auswirkungen oder durch das Ausmaß und den Umfang positiver Auswirkungen definiert werden.

  • Ausmaß bezieht sich auf die Schwere einer Auswirkung
  • Umfang bezieht sich auf das Gebiet und die Anzahl der von einer Auswirkung betroffenen Menschen
  • Unumkehrbarkeit gilt nur für negative Auswirkungen und bezieht sich auf die Fähigkeit, die Situation der betroffenen Menschen oder Orte nach der negativen Auswirkung wiederherzustellen

Die finanzielle Wesentlichkeit der CSRD (Financial Materiality)

Beurteilung der finanziellen Wesentlichkeit (Finanzperspektive)

Aus finanzieller Sicht kann ein Nachhaltigkeitsthema als wesentlich angesehen werden, wenn es Risiken und Chancen mit sich bringt, die wesentliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen haben oder voraussichtlich haben werden.

Wesentliche Risiken und Chancen ergeben sich aus den Auswirkungen oder Abhängigkeiten von natürlichen, sozialen und menschlichen Ressourcen, die

  1. die Fähigkeit Ihres Unternehmens, die für die Geschäftstätigkeit benötigten Ressourcen zu nutzen, oder die Qualität und Kosten dieser Ressourcen beeinträchtigen können und
  2. die Abhängigkeit Ihres Unternehmens von relevanten Geschäftsbeziehungen zu angemessenen Bedingungen beeinflussen können.

Sowohl vergangene als auch zukünftige Ereignisse können diese Risiken und Chancen auslösen, die über die Konsolidierung bei der Erstellung von Jahresabschlüssen hinausgehen.

Um die finanzielle Wesentlichkeit der potenziell wesentlicher Themen zu beurteilen, verweist EFRAG auf:

  • (1) Die Anwendung der objektiven Kriterien zur Definition der finanziellen Wesentlichkeit (siehe Kapitel 3.5 des ESRS 1)
  • (2) Die Verwendung geeigneter quantitativer und/oder qualitativer Schwellenwerte

Schwellenwerte der finanziellen Wesentlichkeit

Um die finanzielle Wesentlichkeit von Risiken und Chancen für Ihr Unternehmen zu beurteilen, müssen Sie geeignete quantitative und qualitative Schwellenwerte verwenden, die auf den erwarteten finanziellen Auswirkungen basieren. Diese Auswirkungen können die Leistung, die Finanzlage, die Cashflows oder den Zugang zu und die Kosten für das eingesetzte Kapital (kurz-, mittel- oder langfristig) betreffen.

Kriterien für die Bewertung der finanziellen Wesentlichkeit:

  • Eintrittswahrscheinlichkeit ("likelihood of occurrence") und
  • potenzielle Größenordnung ("magnitude") der kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen

Gehen Sie die ermittelte Liste der potenziell wesentlichen Risiken und Chancen durch und legen Sie objektive Schwellenwerte für die Kriterien Wahrscheinlichkeit und Größenordnung fest. Wenn Sie bereits Prozesse für ein unternehmensweites Risikomanagement (Enterprise Riskmanagement) etabliert haben, die Nachhaltigkeitsrisiken abdecken, können Sie Ihre Schätzungen auf einen Vergleich stützen. Legen Sie fest, ob die Auswirkungen zu tatsächlichen oder potenziellen Risiken und Chancen führen.

Bei der Festlegung der Schwellenwerte für die finanzielle Wesentlichkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung können Sie auf die Kriterien und Schwellenwerte aufbauen, die für die Erstellung Ihrer Finanzberichterstattung verwendet werden. Allerdings unterscheiden sich sowohl die Zeithorizonte als auch die Grundlagen für die Erstellung.


Es kann hilfreich sein, relevante Abteilungen/Funktionen Ihres Unternehmens, sowie Investoren und andere finanzielle Interessengruppen (z. B. Banken) in die Bewertung und Validierung der identifizierten wesentlichen Themen einzubeziehen. Auf diese Weise können Sie sicherstellen, dass Ihre Liste der Risiken und Chancen vollständig ist.

Schritte zur Durchführung:

  1. Schätzen Sie die Eintrittswahrscheinlichkeit ("likelihood of occurrence")
  2. Bestimmen Sie die Größenordnung ("magnitude")
Konsolidieren Sie die Wesentlichkeit der Auswirkungen (Impact Materiality) und die finanzielle Wesentlichkeit (Financial Materiality) und berücksichtigen Sie deren Wechselwirkung. Das Ergebnis ist eine endgültige Liste wesentlicher Themen, welche die Grundlage für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts bildet.

Die Wesentlichkeit der Auswirkungen der CSRD (Impact Materiality)

Beurteilung der Wesentlichkeit der Auswirkungen (Wirkungsperspektive)

Aus der Wirkungsperspektive kann ein Nachhaltigkeitsthema als wesentlich angesehen werden, wenn es sich auf die Auswirkungen des Unternehmens auf Menschen oder die Umwelt bezieht. Dabei kann es sich um wesentliche tatsächliche oder potenzielle, positive oder negative kurz-, mittel- oder langfristige Auswirkungen auf das Unternehmen handeln.

Um die Wesentlichkeit der Auswirkungen (Impact Materiality) der zuvor identifizierten Themenliste zu analysieren, verweist EFRAG auf:

(1) Die Anwendung der objektiven Kriterien zur Definition von Impact Materiality (siehe Kapitel 3.4 des ESRS 1)

(2) Die Verwendung geeigneter quantitativer und/oder qualitativer Schwellenwerte

Schwellenwerte der Wesentlichkeit der Auswirkungen

Die Wesentlichkeit der Auswirkungen (Impact Materiality) wird durch den Schweregrad der tatsächlichen negativen Auswirkungen sowie den Schweregrad und die Wahrscheinlichkeit potenzieller negativer Auswirkungen bestimmt.

Gehen Sie die ermittelte Liste der potenziell wesentlichen Themen und ihrer Risiken und Chancen durch und verwenden Sie die festgelegten Schwellenwerte für die Kriterien Ausmaß, Umfang und Unumkehrbarkeit sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit. Unterscheiden Sie zwischen den verschiedenen Arten von Auswirkungen:

CSRD Wesentlichkeit Beurteilung der Auswirkungen
Eigene Darstellung auf Basis der Informationen aus der EFRAG Umsetzungleitlinie
  • Bei Auswirkungen, die als tatsächlich negative Auswirkungen ("actual negative impacts") eingestuft werden, wird der Schweregrad jeder Auswirkung durch Bewertung von Ausmaß, Umfang und Unumkehrbarkeit beurteilt.
  • Bei Auswirkungen, die als potenziell negative Auswirkungen ("potential negative impacts") eingestuft werden, ist zusätzlich die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, dass die Auswirkungen im Verhältnis zum Zeithorizont auftreten.
  • Bei Auswirkungen, die als tatsächlich positive Auswirkungen ("actual positive impacts") eingestuft werden, sind die Kriterien des Ausmaßes und des Umfangs anzuwenden.
  • Bei Auswirkungen, die als potenziell positive Auswirkungen ("potential positive impacts") eingestuft werden, ist zusätzlich die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, dass die Auswirkungen im Verhältnis zum Zeithorizont eintreten.

Basierend auf Ihrer Strategie zur Einbindung der Stakeholder können Ihre wichtigsten Stakeholder in diesem Schritt miteinbezogen werden, um die Vollständigkeit der endgültigen Liste der wesentlichen Auswirkungen zu bewerten, zu validieren oder Ihre Vollständigkeit sicherzustellen.

Die Stakeholder-Perspektive ist besonders wertvoll, um das Ausmaß und die Unumkehrbarkeit der Auswirkungen zu bestimmen und die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens abzuschätzen.


Bei negativen Auswirkungen
sollte der Ausgangspunkt für die Festlegung eines Schwellenwerts, das Ausmaß (wie schwerwiegend) und der Umfang (wie weit verbreitet) sein. Mit anderen Worten: Ein Schwellenwert kann durch die Schwere einer Auswirkung und die Anzahl der Menschen in einem Gebiet definiert werden, die davon betroffen sind.

Insgesamt: Wenn ein Faktor (Ausmaß, Umfang oder Unumkehrbarkeit) erheblich ist, werden die Auswirkungen "schwerwiegend". Je größer die Auswirkungen in Bezug auf Umfang und Reichweite sind, desto größer ist in der Regel die Unumkehrbarkeit.

Beispiele für die Umsetzung der Schwellenwerte finden Sie in unserem ausführlichen Praxisleitfaden über die doppelte Wesentlichkeitsanalyse, in dem wir erklären, wie die Wesentlichkeitsanalyse unter CSRD durchgeführt werden kann.

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Häufig gestellte Fragen
Was ist die doppelte Wesentlichkeit unter CSRD?

Das Konzept der doppelten Wesentlichkeit (engl. "Double Materiality") besagt, dass Unternehmen analysieren müssen, wie sich ihr Handeln auf die Menschen und den Planeten auswirkt und wie sich Nachhaltigkeitsthemen auf ihre finanzielle Situation auswirken können. Die doppelte Wesentlichkeit ist eine Methode zur Bestimmung wichtiger Themen aus zwei Blickwinkeln: Wirkungsperspektive und Finanzperspektive.

Was unterscheidet eine Analyse der doppelten Wesentlichkeit von der einfachen Wesentlichkeit?

Eine einfache Wesentlichkeitsanalyse konzentriert sich in der Regel nur auf eine Perspektive, entweder auf die Finanzperspektive (nach innen) oder auf die Wirkungsperspektive (nach außen). 

Die finanzielle Wesentlichkeit fokussiert sich dabei auf Themen, die sich auf die finanzielle Leistung eines Unternehmens auswirken können (intern). Die Wesentlichkeit der Auswirkungen hingegen konzentriert sich darauf, wie sich die Aktivitäten eines Unternehmens auf die Menschen und die Umwelt auswirken (extern). 

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse kombiniert beide Perspektiven, indem sie die Auswirkungen auf die finanzielle Leistung eines Unternehmens und die Auswirkungen des Unternehmens auf den Planeten und die Menschen bewertet.